TECHNIK - WIRTSCHAFT - ENERGIE
Umstrittener Neubau L 239
von Jürgen Lindemann
Die L239 im Schwarzbachtal zwischen Mettmann und Ratingen
soll neu gebaut werden; zumindest, wenn es nach CDU und FDP geht.
Der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der L 239 zwischen
Mettmann (B 7) und Ratingen A44 datiert bereits aus dem Jahr 1976. Von der B
7 bis zur A 3 auf Mettmanner und Düsseldorfer Gebiet wurde in zwei Abschnitten
in den 80er und 90er Jahren der Neubau auch realisiert. In Ratingen scheiterte
der Bau am geschlossenen Widerstand der Stadt. Für diesen Widerstand stand insbesondere
auch der damalige CDU-Stadtdirektor Dr. Dahlmann. Die Zerstörung des Schwarzbachtales
durch eine 15 Meter breite Fahrbahn sollte nicht hingenommen werden. Der Planfeststellungsbeschluss
wurde allgemein für erledigt angesehen.
In der Folgezeit wurden deswegen immer wieder Überlegungen angestellt,
statt dieses Neubaus die bisherige Straße mehr oder weniger breit auszubauen.
Bei der letzten Fortschreibung des Landesstraßenbedarfsplanes Mitte der 90er
Jahre wurde das nicht ausgebaute Teilstück lediglich in Stufe 2 als möglicher
weiterer Bedarf eingestuft, nicht zuletzt aufgrund eines Videos, das eindrucksvoll
die ökologischen Folgen für das Schwarzbachteil aufzeigte.
Nach der Kommunalwahl wurde die Planung auf der alten Neubautrasse
jedoch vor ein bis zwei Jahren plötzlich wieder forciert. Die neuen Mehrheiten
in den Kommunalvertretungen dürften erheblich dazu beigetragen haben. Der Kreistag
fasste eine Resolution für den Neubau, und der Ratinger Bürgermeister ließ sich
von der Notwendigkeit einer schnellen Verbindung von Mettmann zur A 44 überzeugen.
Für die CDU und die FDP galten die früheren ökologischen Wahrheiten
nicht mehr. Der Neubau der L 239 n wurde zur Topplanung von Ratingen. Aufgrund
dieser politischen Festlegung taucht im Vorschlag des Landschaftsverbandes nur
diese Straße aus Ratingen für eine Einstufung nunmehr in Stufe 1a auf.
Doch gegen die Planungen regt sich, anknüpfend an die früherer
Ratinger Gemeinschaftsmeinung Widerstand. Für Ende März 2001 riefen SPD, Jusos,
Bündnis 90/Die Grünen, BUND, NABU und ADFC bei einer Demonstration dagegen auf.
Eine überraschend große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern folgten dem Aufruf.
Darunter die Bundestagsabgeordnete Schmidt-Zadel und der Landtagsabgeordnete
Herr Keiling. Die Demonstration war ein großer Erfolg.
Wichtige Aspekte zu den Alternativen zum Neubau der L239
- Für die plötzliche Wiederbelebung
der alten Planung dürften auch die zunehmenden Schäden an der bestehenden
Straße mitverantwortlich sein. Die Unterhaltungsmaßnahmen sind faktisch eingestellt
worden. Auch so können Fakten für einen Neubau geschaffen werden. Vor allem
dürfte die Stadt Mettmann angesichts "neuer" Mehrheiten Druck gemacht haben.
Mettmann möchte eine problemlose Schnellverbindung zur Autobahn haben (zumal
im Bereich der L 239 neue Firmen angesiedelt wurden und neue Wohnbauten entstanden
sind), obwohl es von Mettmann über die B 7 eine Verbindung zur A 3 gibt -
nur nicht so zum Schnellfahren geeignet, weil kurvig - und obwohl es auch
andere Verbindungen nach Ratingen gibt: Die Beeinträchtigung des Schwarzbachtales
scheint in Mettmann egal zu sein, weil man dort durch den überdimensionierten
kreuzungsfreien Neubau der L 239 seinen Beitrag auf Kosten des Umweltschutzes
und der Natur "geleistet" hat. Aber warum erklärt sich jetzt die Ratsmehrheit
in Ratingen mit der gewaltigen Naturzerstörung einverstanden?
- Die erhebliche Beeinträchtigung
des Schwarzbachtales ist nicht zu bestreiten. Es handelt sich keineswegs um
eine monotone Agrarsteppe, sondern um eine abwechslungsreiche bewegte Landschaft
mit Tälern und Kuppen. Die Umweltverträglichkeitsstudie des Landschaftsverbandes
aus 1990 zählt die Folgen klar auf: Massive Damm und Brückenbauwerke werden
in dem schwierigen Gelände notwendig. Die Täler des Schwarzbaches und des
Hasselbaches müssen durch gewaltige Bauwerke überwunden werden. Die Hanglage
wird in großem Umfang angeschnitten. Das bereits erwähnte Video hat dies plastisch
deutlich gemacht, so dass die Straße bisher aus Umweltgründen abgelehnt wurde.
Die Umweltverträglichkeitsstudie hält diesen Neubau sogar für umweltschädlicher
als einen Ausbau der Straße im derzeitigen Tal auf weit überzogene elf Meter
Breite. Dem wird in jüngster Zeit entgegengehalten, die 15 Meter Fahrbahnbreite
solle reduziert werden, um die Umweltschäden zu begrenzen. Verbindlich festgehalten
ist dies jedoch nirgends, zumal um die Planung ein großes Geheimnis gemacht
wird. Den Ausführungen der Stadt zufolge soll es sich nur um eine Reduzierung
von 15 auf 13 Meter handeln. Dies reduziert die Folgen für das Schwarzbachtal
nur unwesentlich.
- Warum nimmt es die Ratsmehrheit
in Kauf, dass für Ratingen weitaus wichtigere Planungen wie die Über- und
Unterquerung der vielbefahrenen Eisenbahnstrecke mit erhoffter Innenstadtentlastung
in Lintorf und der Neubau der Ortsdurchfahrt durch Homberg damit faktisch
zumindest auf die lange Bank geschoben werden. Nehmen die Lintorfer und Homberger
das einfach so hin?
- Bisher geht man allgemein von
der Ungültigkeit des Planfeststellungsbeschlusses aus 1976 aus. Wird ein Planfeststellungsbeschluss
10 Jahre nicht realisiert, wird er nach dem Gesetz unwirksam. Nun wollen die
Straßenbauer auf der Grundlage des "alten" Planfeststellungsbeschlusses trotzdem
bauen. Ihr Trick: die beiden schon realisierten Teilstücke heben die Ungültigkeit
insgesamt auf, weil nie länger als 10 Jahre Pause dazwischen lag. Mit dieser
Logik könnte man durch immer neue kleine Teilmaßnahmen die Wirksamkeit eines
Planfeststellungsbeschlusses endlos aushebeln. Dabei greift doch auch hier
eher die grundsätzliche Regel. Nach zehn Jahren haben sich die Fakten so sehr
verändert, dass sie keine Realisierung einer alten Planung mehr rechtfertigen.
Dies wird auch hier deutlich. Die Planung hat nie eine Umweltverträglichkeitsprüfung
erfahren, weil es dieses Erfordernis 1976 noch nicht gab. Deswegen ist vor
einem Neubau die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens mit UVP unverzichtbar.
Was also ist zu tun? Befürchtungen der Anwohner, dass der Ausbau
der vorhandenen Straße LKW-Verkehr und schnelles Rasen vor ihrer Haustür bedeutet,
sind sehr ernst zu nehmen. Ein Ausbau der vorhandenen Straße etwa auf elf Meter
wäre der schon erwähnte verkappte Neubau und ist strikt abzulehnen. Maßnahmen
an der vorhandenen Straße müssen allein darauf gerichtet sein, für den dort
jetzt vorhandenen Verkehr die Straße sicherer zu machen. Keineswegs darf die
Straße für LKW-Verkehr zugelassen werden oder etwa neuer Verkehr angezogen werden.
Der Verlauf der Straße und die Geschwindigkeitsbeschränkungen müssen erhalten
bleiben. Die Straßenverbesserungsmaßnahmen werden zügig durchgeführt und an
den Engpässen wird die Straße behutsam erweitert, um einen sicheren Verkehr
zu gewährleisten. Die Breite der Autobahnüberführung über die A 3 mit 5,8 Metern
könnte hier ein Maßstab sein.